Kein bisschen Staub
Recherchieren geht nur online? Falsch gedacht! Rund 3.000 Archive bieten im deutschsprachigen
Raum jede Menge Recherchemöglichkeiten.
Von thomas mRazek
„Das Zeitungsarchiv ist das Gedächtnis einer
Redaktion; Staats- und Generalarchive sind
das Gedächtnis einer Gesellschaft.“ So wür-
digte Heribert Prantl, Leiter des Innenressorts
der
Süddeutschen Zeitung,
im Herbst 2011
die Leistung der Archive. In einem Vortrag
zur Eröffnung des 81.Deutschen Archivtags
hob Prantl die „Systemrelevanz“ dieser Insti-
tutionen hervor (Download der Rede als PDF
unter:
.
Rund 3.000 Archiveinrichtungen gebe es
im deutschsprachigen Raum, schätzt Thilo
Bauer, Geschäftsführer des Verbands deut-
scher Archivarinnen und Archivare e.V. (VdA).
Das Angebot ist groß, es reicht von staatli-
chen, kommunalen, kirchlichen Archiven über
Herrschafts- und Familienarchive, Archiven
der Parlamente, politischer Parteien, Stif-
tungen, Firmen und Verbände, Hochschulen,
wissenschaftlicher Institutionen und Medien
bis hin zu Privatarchiven. Ein bundesweites
Archivportal gibt es indes noch nicht, hier ist
man beispielsweise auf Archivportale ein-
zelner Bundesländer angewiesen (wie etwa
). Bauer wünscht sich,
dass die Archive in ihrer Systemrelevanz und
als kompetenter Dienstleister für Journalisten
noch stärker wahrgenommen werden.
Eine Änderung des Rechercheverhaltens von
Journalisten durch den Medienwandel konn-
te Tina Buttenberg, Archivarin beim Stadt-
archiv Rosenheim (
, in
den vergangenen Jahren nicht feststellen.
„Journalisten nutzen vor allem unsere um-
fassende dokumentarische Sammlung zur
Zeitgeschichte, die unter anderem unsere Zei-
tungsausschnitte enthält, unsere Bildbestän-
de (Foto-, Postkarten- und Bildgutsammlung)
und die Archivbibliothek“, berichtet Butten-
berg. Ihr Archiv besitze in Stadt und Land-
kreis Rosenheim „ein Alleinstellungsmerkmal
als regionales Informationszentrum“.
Aus Kostengründen seien bisher nur ge-
ringe Teile des Archivguts digitalisiert, erklärt
Buttenberg und ergänzt: „Viel wichtiger ist es
jedoch für Archivnutzer, dass wir große Teile
unserer Bestandsverzeichnisse online gestellt
haben.“ Hier stimmt ihr VdA-Geschäftsführer
Bauer zu: „Wir sehen es vor allem als unsere
Aufgabe an, das Auffinden von Informationen
in ihren Quellen durch Rechercheinstrumente
im Internet zu erleichtern.“ Dadurch könne der
Archivbesuch besser vorbereitet und verein-
facht werden.
Sehr praktische Hilfen bieten Archive etwa
im „Sommerloch“: „Nach meinen Erfahrungen
werden in dieser Zeit gerne Hintergrundbe-
richte oder mehrteilige Serien gebracht“, sagt
Buttenberg. „In Rosenheim stoßen beispiels-
weise Zeitungsserien über Häusergeschich-
ten, örtliche Persönlichkeiten, Straßennamen,
Stadtquartiere oder Rückblicke auf frühere
kommunale Ereignisse auf großes Interesse“,
erzählt die Archivarin. Mit ihrer Arbeit weckten
die Journalisten auch Interesse „an unseren
Beständen in der Öffentlichkeit und sorgen
dafür, dass auch die letzten Vorbehalte ge-
genüber dem angeblich verstaubten Archiv
ausgeräumt werden“. Und letztlich können
die Archive auch zur Verbesserung der jour-
nalistischen Qualität beitragen, wie Heribert
Prantl in seiner Rede betonte: „Gute Archive
sind nicht nur Gedächtnisspeicher. Sie sind
auch Fehlervermeidungs-Apparaturen.
REcHERcHETippS
6. Tag der Archive am 3./4. März 2012,
Deutschland Archiv der bpb:
Mediathek der bpb:
mediathek.bpb.de/
Václav Hroch / Fotolia
Thomas Mrazek
ist freier Medienjournalist,
Dozent und Berater.
E-Mail:
16
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