berlinerleben 2/2019

SEIT wohnen Regine Hohendorf und Gisela Preuß als Nachbarinnen zusammen. 1969 Nadelöhr waren die Fahrstühle, ein gleichzeitiger Einzug aller Mietparteien hätte zu Stau geführt. Kurz darauf lernte Regine Hohendorf auch ihre neue Nachbarin Gisela Preuß kennen. Die Einzel- handelskauffrau stammt aus Quedlinburg imOst- harz, zog dann nach Gelsenkirchen ins Ruhrge- biet. Ihr damaliger Mann arbeitete im Bergbau, verlor seine Arbeit und bekam eine Stelle in Berlin. Gisela Preuß folgte ihm und fing, wie ihr Mann, ebenfalls im Siemens-Hausgerätewerk an. Beide Mieterinnen sind hier verwurzelt „Es hat sich hier schnell eine gute Hausgemein- schaft entwickelt“, sagt die 73-jährigeGiselaPreuß. „Ich habe immer die Blumen gegossen, wenn die Nachbarn in den Urlaub fuhren.“ Inzwischen hat sich im Haus viel geändert. Die meisten Erst- bezugsmieterInnen zogen irgendwann in eine Senioreneinrichtung, viele sind schon tot. Nur noch zehn Damen blieben übrig, vor Kurzem verstarb eine Mitbewohnerin der ersten Stunde – mit 106 Jahren. Für Regine Hohendorf und Gisela Preuß ist ein Leben anderswo kaum vorstellbar. Beide Mie- terinnen sind hier tief verwurzelt. Gisela Preuß ist sogar stellvertretende Vorsitzende der Rei- nickendorfer Seniorenvertretung. Jeden Dienstag hat sie Sprechstunde im Rathaus, regelmäßig be- sucht sie die sechs Seniorenclubs im Bezirk und ist darüber hinaus im Seniorenbeirat des Landes Ber- lin engagiert. „Es gibt leider eine wachsende Alter- sarmut bei Frauen, viele brauchen Hilfe, damit sie mit ihrer kleinen Rente klarkommen.“ Oft werde sie an der Bushaltestelle angesprochen. Und dann hört Gisela Preuß zu. – Viele Anekdoten aus bewegter Lebenszeit – dafür reicht ein Nachmittag nicht aus. berlinerleben FOTOS: Jens Paassoth Photographie

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