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gesundheit
Dr. Müller, guter Schlaf ist enorm wichtig,
das hört man immer wieder. Aber warum
eigentlich?
Die entscheidende Frage, warum der Mensch
schläft, ist bis heute unbeantwortet. Unter-
suchungen zeigen, dass Patienten mit chro-
nischen, nicht organisch bedingten Schlaf-
störungen nicht häufiger krank werden als
Menschen mit einem gesunden Schlaf. Der
Körper scheint den Schlaf also nicht zu brau-
chen. Aber die Psyche braucht ihn.
Wofür?
Wer schlecht schläft, neigt eher zu depressi-
ven Verstimmungen. Man kann also sagen:
Guter Schlaf ist wichtig für die Vitalgefühle,
für die Lust am Leben.
Was genau passiert im Körper, während wir
schlafen?
Der Schlaf ist eine Mischung aus unter-
schiedlichen Aktivitäts- und Passivitätszu-
ständen. Viele unserer geistigen Funktionen
sind im Schlaf heruntergefahren, aber nicht
ganz abgeschaltet. Das Gehör arbeitet zum
Beispiel auch nachts im Tiefschlaf.
Wie viele Stunden Schlaf braucht der Mensch
im Schnitt?
Statistiken zeigen, dass Menschen, die sieben
Stunden schlafen, die längste Lebenserwar-
tung haben. Letztlich lässt sich das Schlaf-
bedürfnis aber nicht verallgemeinern, es ist
stark genetisch bedingt. Goethe und Einstein
zum Beispiel brauchten zehn bis elf Stunden
Schlaf, Napoleon und Edison kamen mit fünf
Stunden aus.
Was sind Ihre Tipps für einen guten Schlaf?
Das Wichtigste ist Regelmäßigkeit. Jeden
Abend zur selben Zeit ins Bett gehen, jeden
Morgen zur selben Zeit aufstehen – das ist
das Beste, was man tun kann. Aus diesem
Grund haben besonders Nonnen einen
festen, tiefen Schlaf. Weil sie über Jahre hin-
weg denselben Takt befolgen und nicht am
Wochenende auf Partys gehen.
Worauf sollte man besonders im Urlaub ach-
ten?
Man sollte es sich vor allem gut gehen lassen.
Langschläfer können, wenn sie nicht unter
Schlafstörungen leiden, ruhig mal ausschla-
fen. Wichtig ist nur, sich rechtzeitig vor Ur-
laubsende wieder dem normalen Arbeits-
rhythmus anzunähern. Sonst gibt es im All-
tag Probleme mit dem Einschlafen.
Was sind die gängigsten Schlaf-Irrtümer?
Wovon würden Sie auf jeden Fall abraten?
Weit verbreitet ist die Annahme, Alkohol sei
gut für den Schlaf. Das ist falsch. Alkohol
hilft zwar beim Einschlafen, die Schlafqua-
lität wird aber beeinträchtigt, das Durch-
schlafen erschwert. Wichtig ist auch, nicht
zu spät zu essen oder gar Kaffee zu trinken.
Und auch Sport ist nicht immer hilfreich.
Zwischen körperlicher Betätigung und dem
Zubettgehen sollten mindestens drei Stunden
liegen – damit der Körper genug Zeit hat, um
„herunterzufahren“.
Dr. Tilmann
Müller ist Diplom­
Psychologe,
Psychotherapeut,
Somnologe und
ausgebildeter
Yoga­Lehrer. Derzeit
arbeitet er als
stellvertretender
Leiter der Sektion
Schlafmedizin am
Universitätsklinikum
Münster.
Gute
Nacht
interview
Schlafforscher Dr. Tilmann
Müller erklärt das Geheimnis einer
erholsamen Nachtruhe
Buchtipp
Das Buch „Schlaf
erfolgreich
trainieren: Ein
Ratgeber zur
Selbsthilfe“
von Tilmann
Müller und
Beate Paterok,
Hogrefe­Verlag,
191 Seiten,
16,95 Euro.
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