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M i t t wo c h , 1. D e z emb e r 2 010
B a h n b e i l a g e
Raufeld/Gerd Metzner
Vor 3500 Jahren verlief der Handelsweg auf dieser Trasse.
LDA Sachsen-Anhalt/Juraj Lipták
Überbau werden von einer teils schwe-
benden Arbeitsplattform aus errichtet. Nur
die Pfeiler der Konstruktion berühren bei
dieser Methode den Boden. Die sechs Vor-
schubgerüste, die derzeit beim Trassenbau
genutzt werden, sorgen dafür, dass die Ar-
beiten zügig vorankommen. Der Überbau
wird in Abschnitten betoniert, wobei man
ein Vorschubgerüst über die Pfeiler von
einem Brückenfeld zum nächsten schiebt.
In Bereichen der Brückenaufweitung, der
Kreuzung mit der Bundesstraße B 91 (Hal-
le–Schkopau) und der Saalequerung wird
die Brücke mit Hilfe von Traggerüsten ge-
baut, die zwischen den Pfeilern installiert
werden.
So umweltbewusst die Bauarbeiten vonstat-
ten gehen, so verantwortungsvoll gestaltet
sich auch der Umgang mit den sichtbaren
Zeichen der Bautätigkeit. Die Baustraßen
werden nach der Fertigstellung der Brücke
im Jahr 2012 komplett zurückgebaut.
Zeugnisse aus
mitteldeutscher Vorzeit
Hundertausend Funde und ein 3 500 Jahre alter Weg
 E
s wirkte wie ein Fingerzeig: Bei den
Arbeiten zu einem der wichtigsten
Verkehrsprojekte der Gegenwart
stieß man auf die Spuren eines bedeu-
tenden Handelsweges aus der Bronzezeit,
der augenscheinlich mehr als 400 Jahre
genutzt wurde. Bei Oechlitz brachten Ex-
perten vielfältige Zeugnisse dieser Ver-
kehrstrasse ans Tageslicht. Nach archäo-
logischen Erkenntnissen datieren diese
aus der Zeit um 1 500 vor Chr. Durch eine
enge Kooperation zwischen der DB Pro-
jektBau GmbH, der TDE-Mitteldeutsche
Bergbau Service GmbH und dem Landes-
amt für Denkmalpflege konnten mannig-
faltige Zeugnisse dieses historischen
Handelsweges geborgen werden.
Während der Ausgrabungen wurden
auf 22 Kilometern 15 Fundstellen archä-
ologisch untersucht und dokumentiert.
Auf einer Gesamtfläche von etwa einem
Quadratkilometer – das entspricht unge-
fähr 200 Fußballfeldern – konnten mehr
als 10 000 archäologische Befunde er-
forscht und mehr als 100000 Funde si-
chergestellt werden. Acht Grabungsteams
mit 150 Mitarbeitern waren seit Septem-
ber 2008 rund um die Uhr im Einsatz.
Viele Zeugnisse der Geschichte, die
beim jetzigen Streckenbau entdeckt wur-
den, sind sogar noch älter als der wieder-
entdeckte Weg und erlauben beispiels-
weise einen Einblick in das Siedlungs­
wesen und das Wirtschaften in der
Jungsteinzeit. Neben Werkzeugen, Waf-
fen, Schmuckstücken und prähistorischen
Flursystemen fanden die Archäologen
auch Gräber mit Skeletten, die chirur-
gische Eingriffe aufwiesen. Insgesamt
beleuchten die Relikte mehr als 7 500
Jahre Menschheitsgeschichte – und ihre
sachkundige Bergung bedeutet einen im-
mensen Gewinn für das Landesmuseum
für Vorgeschichte. Doch auch die DB ist
stolz auf die Funde. Schließlich dokumen-
tiert der Weg aus der Bronzezeit, der in
Gestalt von humos verfüllten Spurrillen
entdeckt wurde, dass Verkehrswege in
Mitteldeutschland eine lange Tradition
haben. Unter den normalen Bedingungen
der industriell betriebenen Landwirt-
schaft sind diese Spuren vollständig zer-
pflügt. Hier jedoch sind diese alten Tras-
sen über eine Länge von insgesamt 600m
zu verfolgen.
Die Siedlungsräume Thüringer Becken
und Halle-Leipziger Tieflandsbucht wur-
den mit dieser Verkehrsader verbunden.
Über die frühe Trasse florierten Nah- und
Fernhandel quer durch das heutige Sach-
sen-Anhalt. Die ICE-Strecke erweckt also
mit ihrer Linienführung eine 3500 Jahre
alte Fernverbindung zu neuem Leben.
Die Bronzezeit erhielt ihren
Namen, weil sich in dieser zeit-
geschichtlichen Periode die
Legierung von Kupfer mit Zinn
allmählich überall in Europa
durchsetzte.
Sachsen-Anhalt war in der Bron-
zezeit aller Wahrscheinlichkeit
nach sehr viel dichter besiedelt
als man vermuten mag. Dies
wird durch zahlreiche Funde
und frühgeschichtliche Sied-
lungen belegt, die in den ver-
gangenen Jahrzehn­ten in der
Region entdeckt wurden. Wegen
der fruchtbaren Lößböden be-
standen hier bessere Grund­
lagen für eine sesshafte Lebens-
weise als anderswo.
Hintergrund
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