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B a h n b e i l a g e
M i t t wo c h , 1. D e z emb e r 2 010
 D
ass die Unstruttalbrücke einen ele-
ganten Bogen schlägt, das ist nicht
etwa der Einfall eines extravaganten
Architekten, sondern richtet sich nach der
Lage der angrenzenden Tunnelportale. Und
der Austritt am Osterbergtunnel liegt nun
einmal nicht genau gegenüber der Einfahrt
in den Bibratunnel. Auf welcher Höhe und
Route die Tunnelneubauten die Berge
durchqueren, das ist das Ergebnis moderner
geotechnischer Untersuchungen. Das Ge-
stein wird auf die optimale Fahrrinne hin
geprüft. Wenn sich die aus dem Verlauf des
Tunnels ergebenden Portale nicht direkt
gegenüberliegen, dann muss die verbin-
dende Brücke eben auch einmal einen Bo-
gen schlagen.
Was sich für den Laien nur recht und
billig anhört, erfordert in jedem Einzelfall
eine planerische und ingenieurtechnische
Meisterleistung. Das Verkehrsprojekt „Deut-
schen Einheit“ ist auch in dieser Hinsicht
ein Bauvorhaben der Superlative. Genau
39 Brücken und 27 Tunnel sind für das
bahnbrechende europäische Verkehrspro-
jekt vonnöten. Allein auf dem 123 km lan-
gen Teilabschnitt von Erfurt nach Leipzig/
Halle entstehen drei Tunnelbauwerke mit
einer Gesamtlänge von 15,4 Kilometern.
Hinzu kommen sechs Talbrücken, die ins-
gesamt 14,4 Kilometer der Strecke natur-
schonend über sensible Gebiete führen.
Alle Bauwerke längs der neuen Verbin-
dung sind so gestaltet, dass die Geschwin-
digkeit der Züge nicht verringert werden
muss. Mit 300 Kilometern pro Stunde kön-
nen die ICE in naher Zukunft die Tunnel
durchqueren – genauso schnell werden sie
über die Brücken fahren. So erklärt sich,
dass die Reise von München nach Berlin
künftig nur noch zwei Drittel der bisherigen
Fahrzeit in Anspruch nehmen wird.
Doch auch bei der schnellen Fahrt durch
Sachsen-Anhalt mit seinen zahlreichen Ber-
gen, Tälern und Ebenen steht die Sicherheit
der Reisenden an erster Stelle. Neben den
nationalen Normen finden auch die euro-
päischen Vorschriften Anwendung. Gewählt
wird immer die strengere Variante, selbst
wenn sie höhere Kosten verursacht und
mehr Material erfordert. Die zweiröhrige
Bauweise, die allen drei neuen Tunneln in
der Region eigen ist, bietet hier ein anschau-
liches Beispiel. Die parallel verlaufenden
Tunnelröhrenmit ihren Verbindungswegen
ermöglichen einen besonders sicheren Be-
trieb mit modernsten Rettungs-Standards
im Havariefall.
Die Arbeiten am neuen Schienenweg
durch Mitteldeutschland sind trotz hoher
Anforderungen an alle Gewerke so weit
fortgeschritten, dass die Zeitpläne auf den
einzelnen Baustellen eingehalten werden
können. Es ergaben sich zwischenzeitlich
unvermeidliche Verzögerungen durch Über-
schwemmungen und einen Unfall imMärz
dieses Jahres. Aufgeholt wird die Zeit durch
überarbeitete Bauabläufe, einen verstärkten
Materialeinsatz und die Nutzung zusätz-
licher Vorschubgerüste für den Brückenbau.
So steht der planmäßigen Inbetriebnahme
nichts im Wege.
Freie Fahrt durch
Berg und Tal
Der Schienenweg erfordert Dutzende von neuen Tunneln und Brücken.
Tunnelbau
Verfahren 1
Sprengvortrieb
Hier wird die Röhre in kleinen Schrit-
ten in den Berg gesprengt. Nach jeder
Sprengung sichern die Tunnelbauer
das entstandene Gewölbe durch Stahl-
gitterbögen und Spritzbeton. Diese
Konstruktion bildet die äußere Tunnel-
schale. In sie wird eine zweite innere
Röhre aus Stahlbeton eingebaut. Dies
ist die später sichtbare Tunnelröhre,
durch die der Zug fährt. Es entsteht
ein zweischaliger Tunnel. Der Spreng-
vortrieb wurde im Osterbergtunnel
und im Bibratunnel angewandt.
Verfahren 2
Maschineller Vortrieb
Bei diesem Verfahren arbeitet eine
Schildvortriebsmaschine mit einem
großen Schneidrad ein entsprechend
gewaltiges Loch auf. Die Maschine
fährt Meter für Meter voran. Hinter
demFräskopf der Tunnelbohrmaschi-
ne stützen Betonfertigteile, sogenann-
te Tübbinge, den Fels. Diese Tübbin-
ge werden von der Maschine automa-
tisch eingebaut. Die Betonfertigteile,
die man einsetzt, ergeben einen Ring,
der bereits den rohbaufertigen Tun-
nel bildet. Beim maschinellen Vor-
trieb entsteht daher ein einschaliger
Tunnel.
Der Sprengvortrieb ist die klassi-
sche bergmännische Methode.
Einbau der Tübbinge beim
maschinellen Vortrieb.
Beim Brückenbau kommt das Vor-Kopf-Bauverfahren zum Einsatz.
DB AG (2)
DB AG
DB AG
1,2,3 5,6-7,8,9,10,11,12