Der Fall
Eine Zeitschrift berichtet über
das Privatleben von Fußballspieler Michael
Ballack. Die Überschrift lautet: „Ehe-Drama
– Führt er ein geheimes Doppelleben?“. Ver-
schiedene Bilder zeigen den Fußballspieler
mit einer anderen Frau. Konkret beschrieben
wird in dem Beitrag Ballacks Auftritt bei einer
Preisverleihung. Hier erschien er ohne seine
Ehefrau. Die Zeitschrift berichtet von einer
„geheimnisvollen Blondine“, die dem Fußballer
an dem Tag nicht von der Seite gewichen sei
und mit der er in die Nacht verschwunden sei.
Sie spricht zudem von pikanten Gerüchten.
Der Fußballspieler, vertreten durch sei-
ne Rechtsanwälte, beschwert sich über die
Berichterstattung. Es existiere keine Fakten-
grundlage für die Vorwürfe. Die Unterstel-
lungen seien infam. Bei der Frau handele es
sich um die Mitarbeiterin einer Hilfsorganisa-
tion, für die Ballack als Sonderbotschafter tä-
tig sei. Auf der Veranstaltung sei Ballack für
sein Engagement geehrt worden. Darüber
hinaus hätte er mit der Mitarbeiterin die neue
Kampagne der Hilfsorganisation besprochen.
Nach der Veranstaltung habe Ballack mit einer
Reihe von Leuten, unter anderem mit ihr, die
Veranstaltung verlassen. Vor diesem Hinter-
grund seien die Bilder entstanden.
Die Redaktion
Keinen Verstoß gegen den
Pressekodex sieht die Chefredaktion. Es
werde im Beitrag nicht behauptet, Ballack
unterhalte eine außereheliche Beziehung. Die
Redaktion habe lediglich das öffentliche Auf-
treten eines Fußball-Profis kritisch bewertet
und Fragen reflektiert, die sich der Öffent-
lichkeit aufdrängten. Ballack habe für viele
Jugendliche Vorbildfunktion. Die kritisierten
Passagen seien Werturteile und Meinungs-
äußerungen. Basis hierfür sei der Auftritt
auf der Veranstaltung – ungewöhnlicher-
weise ohne seine Frau, sondern mit einer
unbekannten Begleiterin. Der Leser erfahre
lediglich, dass er die Veranstaltung gemein-
sam mit ihr verlassen habe. Es werde nicht
gesagt, was danach passiert sei.
Das Ergebnis
Die Zeitschrift erhält eine
öffentliche Rüge. Die Berichterstattung ver-
letzt die Ziffern 2, 8 und 9 des Pressekodex.
Die spekulativen Fragen und Feststellungen
über das Privatleben von Michael Ballack, die
zum Teil in Fragen formuliert sind, kann die
Redaktion nicht belegen. Der Presserat er-
kennt hierin einen Recherchemangel. Auf der
Basis, dass der Fußballspieler mit einer als
unbekannte Begleiterin bezeichneten Frau ei-
nen gemeinsamen Charity-Termin hatte, stellt
die Redaktion unter anderem die Frage, ob
der Schein vom liebenden Ehemann trüge.
Es handelt sich jedoch um keine unbekannte
Frau, sondern um die Mitarbeiterin einer Hilfs-
organisation. Der Fußballspieler kann plausi-
bel darlegen, dass sie in dieser Funktion auf
der Veranstaltung war. Für den Presserat ist
die Berichterstattung nicht hinreichend durch
Tatsachen gestützt. Sie ist zudem moralisch
abwertend und dazu geeignet, die Persön-
lichkeitsrechte und die Ehre von Ballack und
seiner Frau zu verletzen. Betroffen ist hiervon
auch die Mitarbeiterin der Hilfsorganisation.
Rote Karte für Spekulationen
Eine Zeitschrift berichtet über den Auftritt eines Fußballers bei einer Charity-Veranstaltung. Dabei stellt
sie Mutmaßungen über sein Liebesleben an. Der Sportler beschwert sich über den Bericht.
Von eDDa kRemeR
KoDEx
Ziffer 2 – Sorgfalt
Recherche ist unverzichtbares Instrument
journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung
bestimmte Informationen in Wort, Bild und
Grafik sind mit der nach den Umständen ge-
botenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu
prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben.
Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift
oder Bildbeschriftung weder entstellt noch
verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen,
Gerüchte und Vermutungen sind als solche
erkennbar zu machen.
Ziffer 8 – Persönlichkeitsrechte
Die Presse achtet das Privatleben und die
Intimsphäre des Menschen. Berührt jedoch
das private Verhalten öffentliche Interessen,
so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert
werden. Dabei ist zu prüfen, ob durch eine
Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Un-
beteiligter verletzt werden. Die Presse achtet
das Recht auf informationelle Selbstbestim-
mung und gewährleistet den redaktionellen
Datenschutz.
Ziffer 9 – Schutz der Ehre
Es widerspricht journalistischer Ethik, mit un-
angemessenen Darstellungen in Wort und Bild
Menschen in ihrer Ehre zu verletzen.
Edda Kremer
ist Referentin für Beschwerdeaus-
schüsse beim Deutschen Presserat.
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