Konferenzstrukturen, Themenabstimmungen
und Entscheidungsprozesse. Der komplette
redaktionelle Workflow wurde beim
Südku-
rier
mit dem Ziel verän-
dert, sich dem Lokalen
genauso ernsthaft und
professionell zu nähern
wie der großen Politik.
Unter einem an-
deren Label, aber mit
derselben Zielrichtung
geht die
Braunschwei-
ger Zeitung
auf die
Menschen zu: mit der
Bürgerzeitung. Dabei
gehe es keineswegs
um Kundenfang, be-
tont Chefredakteur Ar-
min Maus: „Es geht um nicht weniger als um
die Teilhabe der Menschen an der Gestaltung
unseres Gemeinwesens.“
Mit Erfolg, wie Maus berichtet. Bürger be-
werben sich für die Leserkonferenz, melden
sich als Interviewer, stürmen die Veranstal-
tungen in Stadtteilen und Dörfern, die das
Haus anbietet, sie debattieren via Livestream
und auf Facebook. Maus sagt: „Unsere Erfah-
rungen laufen allen Reden zuwider, die von der
Entpolitisierung der Gesellschaft, von einer mä-
keligen Konsumhaltung der Bürger künden.“
Die Bürgerzeitung hat Wirkung, aber sie
ist auch „ein durchaus strapaziöses Unter-
fangen“, gesteht der Chefredakteur. Mehr als
25 Aktivitäten und Aktionen laufen kontinuier-
lich. Das setzt ein neues Selbstverständnis
der Kollegen voraus. Journalisten werden zu
Dienstleistern. Das fordert auch Stefan Lutz:
„Wir müssen begreifen, dass nicht wir alleine
entscheiden, was wichtig ist, sondern dass
es vor allem der Leser entscheidet und sich
Redaktionen ein gutes Stück darauf ausrich-
ten müssen.“
Jeder Redakteur wird Lokalredakteur
An dieser Stelle setzt auch Lars Haider an. Er
hat als Chefredakteur des
Weser-Kuriers
in
Bremen mit dem Kon-
zept „Überraschend
nah“ 2009 den Lokal-
journalistenpreis ge-
wonnen. Seit Mitte 2011
leitet er das
Hamburger
Abendblatt
. „Wir gehen
gerade dazu über, aus
allen Redakteuren Lo-
kalredakteure zu ma-
chen“, sagt er. Das be-
deutet, jeder Kollege
muss die Patenschaft
für einen Stadtteil über-
nehmen. Damit werde
auch der Kulturredakteur zum Stadtrepor-
ter. Haider setzt große Erwartungen in die-
ses Modell, „weil es zusammenschweißt und
weil es aus einer Redaktion eine ganz große
Lokalredaktion macht“.
Frank Nipkau, Redaktionsleiter der
Waiblinger Kreiszeitung
, kennt in seinem
Alltag nichts anderes. In seinem Landkreis
nordöstlich von Stuttgart arbeiten mehr als
50 Redakteure ver-
schiedener Verlage nur
an lokaler Berichter-
stattung. Sie berichten
aus kleinen und aus
mittleren Orten über
das, was direkt vor der
Haustür geschieht. Da-
durch entstehe „eine
enorme lokale Tiefe
und Vielfalt, die den Er-
folg und die Akzeptanz
der Zeitungen sichert“.
„Lokaljournalisten
sind Öffentlichkeitsar-
beiter für die Demokratie“, betont Berthold
Flöper, Leiter des Lokaljournalistenpro-
gramms der Bundes-
zentrale für politische
Bildung. Er sieht deren
Zunft im Aufschwung.
Immer mehr Medien-
macher entdeckten die
Bedeutung von Lokal-
journalismus. Angefan-
gen von den großen
Verlagen bis hin zu Ein-
zelkämpfern mit Blogs
und Internetzeitungen.
Flöpers Befund: „So
viel Lokaljournalismus
wie heute war nie.“
Lars Haider ist
Chefredakteur
des Hamburger
Abendblatts.
Stefan Lutz ist
Chefredakteur
des Südkuriers
(Konstanz).
Frank Nipkau ist
Redaktionsleiter
der Waiblinger
Kreiszeitung.
Armin Maus ist
Chefredakteur der
Braunschweiger
Zeitung.
Die Nachricht
aus der Heimat
sichert Auflage
und wirtschaft-
liche Stabilität.
Zukunft des Lokalen
MAGAZIN
Es geht um die
Teilhabe des
Menschen an
der Gestaltung
unseres Gemein-
wesens.
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Nummer 3, 1. März 2012
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