Von keRstin DolDe
Egal, ob die Zeitung einmal nicht im Briefkas-
ten liegt, ob der Bericht über den Vereinsaus-
flug zu stark gekürzt worden ist oder der Leit-
artikel „so heute gar nicht geht“: Leserinnen
und Leser laden ihren Ärger bei der Leseran-
wältin ab. Sie landen bei mir ganz ohne Um-
weg über eine Telefonvermittlung oder ein
Vorzimmer. Und das ist gut so.
Denn die Leseranwältin ist schließlich
Anlaufstelle für alle. Der „heiße Draht“ glüht
nicht nur wegen der Beschwerden, sondern
besonders wegen der vielen Fragen und Hil-
ferufe, die über mich an die Redaktion heran-
getragen werden. Wir versuchen, Lösungen
für die kleinen und großen Probleme des All-
tags zu finden.
Für die Rubrik „Frage des Tages“ gehe ich
auf die Suche nach einer Experten-Antwort.
Bei großen Problemen, etwa wenn manche
Leser Behördenhürden nicht alleine überwin-
den können, schalte ich mich ein oder ver-
mittle an einen Kollegen weiter. Und oft erkläre
ich auf Nachfragen, warum sich die Redak-
tion in dem einen oder anderen Fall gerade so
entschieden hat.
Ein Beispiel: Meldungen über Gewalttaten,
über Katastrophen und menschliches Elend
finden sich in jeder Zeitung. Für manche Le-
ser sind es schon mal der dunklen Seiten
des Lebens zu viel. So lautet eine Frage an
die Leseranwältin dann und wann: „Warum
bringt Ihr nur schlechte Nachrichten? Schreibt
doch nur Gutes.“ Diesen Anrufern sage ich:
In jeder Ausgabe einer Zeitung findet sich
auch viel Schönes, Positives, Beispielge-
bendes und Mutmachendes. Überschriften
auf dem Titel wie „Arbeitsmarkt profitiert von
guter Konjunktur“ oder „Deutsche Wirtschaft
nimmt Fahrt auf“ sind beredte Beispiele. Und
solche ziehen sich durch die ganze Zeitung.
Ich schlage diese dann schon einmal auf und
führe aktuelle Schlagzeilen oder Geschichten
zum Beweis an. Das geht ganz einfach.
In meiner wöchentlichen Rubrik „Auf ein Wort“
ist Raum für Grundsätzliches. Dort greife ich
solche Themen auf. Die Leserinnen und Leser
erfahren, dass die Diskussion „gute Nachricht
– schlechte Nachricht“ schon seit Genera-
tionen die Medienwissenschaft bewegt. Hier
kann ich erklären: Was macht die Nachricht
zur Nachricht? Dann weise ich
darauf hin, dass eine wesent-
liche Messlatte der „Nachrich-
tenwert“ ist. Dass Ereignisse
dann in die Zeitung kommen,
wenn sie für Zeitungsleser einen
Neuigkeitswert und gleichzeitig
einen Informationswert besitzen. Der Service-
gedanke hat doch längst auch in Zeitungsre-
daktionen Einzug gehalten.
Doch, auch das kann ich den Lesern ver-
mitteln: In einer Tageszeitung wird es immer
Meldungen geben über tödliche Unfälle oder
die schlechte Haushaltslage in Städten und
Gemeinden. Informationen von lokalem Inte-
resse müssen stets wesentlicher Bestandteil
des Gesamtpakets Regionalzeitung sein. Und
nicht zu vergessen: Die Redaktion macht kei-
ne Nachrichten, sie berichtet „nur“ darüber.
So dürfen in einer solchen Zeitung Mel-
dungen über Krisen, Kriege oder Katastro-
phen nicht unter den Tisch fallen. Aber es wird
immer breiten Raum geben für Artikel über
Menschen, die etwas Besonderes leisten, für
Geschichten über junge Leute, die sich eh-
renamtlich engagieren, oder für Reportagen
über Behinderte, die Nichtbehinderten ein
großes Vorbild sein können. Jede Zeitung ist
eben eine bunte Palette von Schlaglichtern
aus dem Leben. Darauf können sich unsere
Leser verlassen.
Lesen Sie auch das Interview mit Kerstin
Dolde auf der Homepage der
drehscheibe
:
Gute und schlechte Nachrichten
Die große Zahl schlechter Nachrichten im Blatt bewegt die Leser immer wieder.
Die Leseranwältin erklärt, was aus welchem Grund in der Zeitung steht.
Kerstin Dolde
ist Verantwortliche Redakteurin
Regionales und Leseranwältin der
Frankenpost
(Hof).
Telefon
09281 – 81 61 00
E-Mail
internet
/
regional/leseranwalt/
Für manche leser sind
es schon mal der
dunklen seiten des
lebens zu viel.
An dieser Stelle
veröffentlicht die
drehscheibe
im Turnus
mit der Rubrik Presserecht
Beiträge von Leseranwälten
verschiedener Zeitungen.
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Nummer 3, 1. März 2012
Leseranwalt
MAGAZIN
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