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Humboldt
kosmos
101/2013
Was geht da unten
eigentlich vor, Herr Ferrero?
„Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“, der berühmte Roman von
Jules Verne, fasziniert die Leser seit Generationen. Gut 6 000 Kilo-
meter wären es bis ins Innere – von der bis zu 50 Kilometer dicken
Erdkruste durch den 3 000 Kilometer starken Mantel bis hinunter
in den heißen Erdkern. Ob das je gelingen wird? Silvio Ferrero
zuckt die Achseln.
Der italienische Geologe muss nicht weit reisen, um in die Erde
hineinzuschauen. Er sitzt an seinem Schreibtisch an der Universität
Potsdam und lässt sich erzählen, wie es dort unten ist. Seine Bericht-
erstatter sind Granatkristalle, die binnen Jahrmillionen aus großer
Tiefe an die Oberfläche gewandert sind. In ihnen finden sich winzige
Schmelzeinschlüsse, sogenannte Nanogranite. Die Einschlüsse sind
nur wenige Tausendstel Millimeter groß, aber sie speichern ihre
gesamte Entstehungsgeschichte: aus welcher Tiefe sie kommen, wie
heiß es dort war und welche chemischen Verhältnisse herrschten.
„Hier in Potsdam stehen mir alle hochauflösenden Messtechniken
zur Verfügung, die ich für meine Forschung brauche – und dazu ein
kollegiales Umfeld vom Feinsten“, schwärmt der Geowissenschaftler.
Die Nanogranit-Forschung ist ein sehr junges, weltweit boomendes
Gebiet. Und sie verspricht nützliche Erkenntnisse. Ferrero: „Die Ein-
schlüsse verraten uns, was da unten vorgeht.“ Sie enthalten auch Hin-
weise darauf, wie der Blaue Planet sich künftig entwickeln wird. Zum
Erdmittelpunkt reisen müssen wir dafür nicht mehr. Aber wir können
weiter davon träumen.
Dr. Silvio Ferrero
von der Università di Padova, Italien, ist seit
November 2012 im Rahmen eines Humboldt-Stipendiums am Institut
für Erd- und Umweltwissenschaften der Universität Potsdam tätig.
Nachgefragt
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