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Humboldt
kosmos
101/2013
Darf Liebe
Wehtun,
Frau Illouz?
Sie lenken Unternehmen und besetzen Spitzenposten in Politik,
Kultur und Wissenschaft. Weltweit sind die Frauen dabei, sich ihre
Hälfte des Himmels zu erobern. Und dann kaufen Millionen von
ihnen die Erotikschnulze „Shades of Grey“, in dem eine gefügige
Studentin sich ihrem Liebhaber lustvoll unterwirft. Wie soll das
zusammenpassen?
Sicherheit sei der Schlüssel zum Verständnis, sagt die israelische
Soziologin Eva Illouz. Die sadomasochistische Konstellation biete
eine klare Struktur angesichts sich auflösender Geschlechterrollen.
Und letztlich triumphiere ja die Frau in „Shades of Grey“, sie verstehe
es, ihren Geliebten auf den Pfad der Intimität zu locken – genau das
sei es, was viele Leserinnen fasziniere.
Illouz erforscht romantische Gefühle unter den Bedingungen des
Kapitalismus. Liebe sei zum Tauschgeschäft unter Marktteilnehmern
geworden, heißt es in ihren viel beachteten Büchern. Scheinbar
authentische Gefühlsäußerungen entlarvt die Soziologin als standar-
disierte Ausdrucksformen. Als Inbegriff des Romantischen gilt heute
beispielsweise das Champagnerfrühstück und nicht etwa die Curry-
wurst zu zweit.
„Wir müssen ein neues Ideal der romantischen Liebe erfinden“,
fordert sie. Eines, das auf der Gleichheit von Mann und Frau basiere,
das Hingabe zulasse, Leidenschaft – und auch den Schmerz.
Die Kultursoziologin
PROFESSOR DR. EVA ILLOUZ
von der Hebrew
University of Jerusalem, Israel, wurde 2013 mit dem Anneliese Maier-
Forschungspreis ausgezeichnet. Zwei bis drei Wochen im Jahr will sie
nun am Institut für Sozialforschung der Goethe-Universität Frankfurt
arbeiten.
Nachgefragt
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