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Humboldt
kosmos
101/2013
nehmen – nur weil ich als Therapeut ihm sage, dass er sich der Gefahr
stellen muss und seine Angst dann langsam nachlassen wird.“ Dies ist
ein Punkt, auf den Margraf auch in der Ausbildung großen Wert legt:
„Jeder Therapeut muss sich klarmachen, was diese Menschen leisten.“
Langzeiterfolg bestätigt 
Dass seine Kurzzeittherapie
zu einer dauerhaften Heilung der Angststörung führt, hat der im
März 2010 als Humboldt-Professor ausgezeichnete Psychologe gerade
erst bewiesen. Er konnte Patienten aufspüren, die er vor mehr als
zwanzig Jahren behandelt hat. Die große Mehrheit hat seither nie
wieder eine Panikattacke erlitten.
Die Psyche des Menschen hat JürgenMargraf schon in seiner Jugend fas­
ziniert. „Die Idee, Psychologie zu studieren, kammir in der 11. Klasse“,
erzählt er. Margraf besuchte zu jener Zeit die Deutsche Schule in
Brüssel. Seinem Vater, einem Manager, der sich nach einem Haupt-
schulabschluss hochgearbeitet hatte, war in der belgischen Stadt fünf
Jahre zuvor ein Job angeboten worden.
„Ich sollte damals ein Referat zumThema Utopien halten“, erinnert
sich Margraf. Er entschied sich dafür, den Roman des US-Psycholo-
gen B. F. Skinner, „Walden Two“, vorzustellen. Skinner beschreibt
darin seine Vision einer friedlich zusammenlebenden Gesellschaft,
die weder Besitz noch Strafe kennt. „Ich war zu der Zeit revolutionär
Jürgen ­Margraf
hilft Menschen, ihrer
Angst ins Gesicht zu
schauen – und hat
größten Respekt vor
ihrem Mut.
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