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Humboldt
kosmos
101/2013
denn auch am Veto des Ehepartners. Wiederholt wurde das eher
schlechte Image Deutschlands in puncto Familienfreundlichkeit und
Karriereper­spektiven für Frauen erwähnt. Auch hierin könnte ein
Grund für den unterdurchschnittlichen Frauenanteil unter den Pro-
fessoren liegen (siehe auch: „Oben ist noch Platz“, S. 22).
Das Ringen mit der Bürokratie 
Wenn die Humboldt-
Professoren eines beklagen, so ist es die deutsche Bürokratie. Die
internen Abläufe der Hochschulen werden oft als ineffizient und
kräfte­zehrend erlebt. Einige Preisträger monieren die intransparente
Verwendung von Mitteln und zähen Auseinandersetzungen mit der
Verwaltung. Streit gibt es zumBeispiel um den Einsatz der 15-prozen­
tigen Verwaltungspauschale, die zum Preisgeld gehört und eigentlich
dazu gedacht ist, ein Maximum an Flexibilität zu bieten. So können
hiervon Rückstellungen für zukünftige Gehaltszahlungen oder Dual
licher Sicherheit punkten. Professoren werden hierzulande in der
Regel auf Lebenszeit verbeamtet. Außerdem ist der Druck, anwen-
dungsbezogen zu forschen, geringer. So gilt Deutschland als Paradies
der Grundlagenforschung. Viele Humboldt-Professoren preisen
dementsprechend die Freiräume für kreatives Forschen ohne Recht-
fertigungsdruck (siehe auch: „Stardom vs. Bescheidenheit“, S. 17).
Wichtig sind außerdem kulturelle Faktoren. Über die Hälfte der
bis 2013 Ausgezeichneten sind deutscher Abstammung oder Deutsch-
land seit Langem verbunden, etwa durch frühere Aufenthalte, deutsche
Ehepartner oder weil sie bereits Deutsch sprechen. Viele befinden
sich in einer Lebensphase, in der ein Umzug ins Ausland mit Sack
und Pack zu einem Einschnitt führt, der wohlüberlegt sein will:
Stimmt die Familie dem Wechsel zu? Wie sind die beruflichen Per­
spektiven für mitreisende Partner? Wie geht es mit der Ausbildung
der Kinder weiter? In einigen Fällen scheiterten die Verhandlungen
Kosmos:
Die aktuelle Zwischenbilanz zu
fünf Jahren Humboldt-Professur zeichnet
ein überwiegend positives Bild. Aber sie
identifiziert auch mögliche kritische Berei-
che, denen in der Evaluation 2015 nachge-
gangen werden soll. Worummachen Sie sich
Sorgen?
Enno Aufderheide:
Eine echte Sorge
ist der niedrige Frauenanteil schon unter den
Nominierungen. Ansonsten würde ich nicht
wirklich von Sorgen sprechen angesichts der
vielen positiven Signale. Aber es gibt Hin-
weise, um die wir uns kümmern müssen.
Etwa die Beobachtung, dass offenbar nicht
alle Universitäten die Möglichkeiten des Pro-
gramms ausschöpfen. Das gilt beispielsweise
für Dual Career-Angebote. Auch wissen
manche Humboldt-Professoren einfach nicht,
wie eine deutsche Universitätsverwaltung
tickt und funktioniert. Wir haben hierauf
schon reagiert und bieten die persönliche
Beratung durch den Deutschen Hochschul-
verband an. Das hilft vielen enorm.
Es gibt vereinzelte Rückmeldungen, dass
Zusagen aus den Strategiekonzepten der
Universitäten schleppend oder nur teilweise
umgesetzt werden.
Sie sprechen ganz richtig von Einzelfällen.
Dennoch werden wir hier in der Evaluation
ganz genau hinsehen und die Universitäten
beim Wort nehmen. Denn das Universitäts-
konzept gehört untrennbar zumGesamtpaket
und ist die Grundlage für eine positive Ent-
scheidung unseres Auswahlgremiums. Schließ­
lich sollen die Strategiekonzepte dafür sorgen,
mit einer Professur eine optimale Wirkung
für die Universität zu erreichen. Das muss
das Ziel aller Beteiligten sein.
Das Beispiel der Humboldt-Professur macht
international Schule. Hierzulande wird mit
der Mercator-Professur die Einrichtung eines
ähnlichen Förderprogramms diskutiert. Ist
das eine Konkurrenz für die Humboldt-
Professur?
Dass wir im Ausland Nachahmer finden,
bestätigt uns. Hier würde ich sagen, Konkur-
renz belebt das Geschäft. Bei der Mercator-
Professur sehe ich noch einige Fragezeichen.
Soll sie die Humboldt-Professur mit anderen
Schwerpunkten ergänzen oder soll sie mit ihr
konkurrieren? Für den internationalen Wett-
bewerb ist unser Programm jedenfalls gut
eingeführt und das Renommee wächst. Wir
sollten diese Marke ausbauen.
„Wir müssen erklären, wie eine
­deutsche Verwaltung tickt“
Interview
Enno Aufderheide
ist der General­
sekretär der Humboldt-Stiftung.
Foto: Michael Jordan
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