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B e r l i n e r Z e i t u n g · N u m m e r 1 9 7 · 2 5 . A u g u s t 2 0 1 0
Die Zukunf t i st 3-D
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er Trend- und Konsumforscher Jörg
Jelden begleitet den Fortschritt der
Technik mit Skepsis, Interesse und
Scharfsinn. Was unseren Umgang mit ei-
nem dreidimensionalen Fernsehbild an-
geht, gibt er zumindest diesbezüglich Ent-
warnung: „Die Kopfschmerzen werden mit
der Zeit verschwinden“.
Herr Jelden, als Steven Spielberg den dritten
Teil seines „Weißen Hai“ 1982 als 3-D-Film
in die Kinos schickte, suggerierte diese Tech-
nik den nächsten Schritt hin zum größtmög-
lich realistischen Filmbild.Wo und vor allem
für was steht diese Technologie heute?
Hyperrealität wäre indiesemZusammen-
hang vielleicht die richtige Formulierung.
Anders gesagt: Ich sehe die gegenwärtige Re-
naissance von 3-D vor allem als eineWeiter-
entwicklung des Booms der Spezialeffekte,
der ja das Kino der vergangenen Dekade
ganz zentral begleitet hat.
Angefangen vielleicht mit dem Science-Fic­
tion-Klassiker „Matrix“ aus dem Jahr 1999.
Zum Beispiel. Wir reden hier von einer
Ästhetikwelt, die immer stärker auf einer tat-
sächlichen Effekthascherei basiert. Die
­bewusste Überzeichnung ist ja gerade im
Actionfilm längst als zentrales Stilmittel an-
erkannt. Der Zuschauer wurde darauf ge-
eicht, dass alles immer noch schneller, noch
lauter, noch bunter wird. Und unter diesem
Blickwinkel geht es dem 3-D-Kino wahr-
scheinlich wirklich zu allerletzt um so etwas
wie eine realistische Abbildung.
Worum geht es stattdessen? Um ganz neue
Sinneseindrücke?
Es sind schonneue Sehgewohnheiten. Sie
sind vielleicht nicht fundamental neu, aber
sie sind näher dran und dichtermit Informa-
tionen vollgepackt, die Bildwelten werden
sozusagen intensiver gefühlt ...
... was durchaus einer gewissen Übung be-
darf.Menschen, die etwa ein Fußballspiel als
3-D-Projektion gesehen haben, erzählten im
Anschluss von Kopfschmerzen und Augen-
flimmern.
„Die 3-D-Brille
wird zum hippen
Accessoire“
Was sagt die Zukunftsforschung zum
dreidimensionalen Phänomen?
Ein Gespräch mit Jörg Jelden
über bunte Brillen, alte Hüte, schrille
Effekte und gute Erzählungen
Solche Phänomene erleben wir doch bei
der Einführung jeder neuen Kulturtechnik.
­Erinnern wir uns etwa an die Diskurse zu
Beginndes Computerzeitalters. Auchdamals
hat niemand die viereckigen Augen bekom-
men, von denen immer die Rede war. Ich
denke, wir stehen hier vor einem Annähe-
rungsprozess aus beiden Richtungen, die
Technik wird sukzessive besser und präziser
– und gewissermaßen wird das auch der
­Medienrezipient.
Der Zuschauer lernt also gemeinsammit der
Technologie?
Sowar es bisher bei allen technologischen
Evolutionen. Die von Ihnen erwähntenKopf-
schmerzen, also diese gefühlte Überforde-
rung, wird mit der Zeit verschwinden.
Wird nicht vielleicht auch das Phänomen
3-D mit der Zeit verschwinden? Schließlich
konnten sich auch die 3-D-Kinos niemals
wirklich etablieren.
Diese Einschätzung liegt vielleicht auf
den ersten Blick nahe.Während des gesam-
ten 20. Jahrhunderts jedenfalls blieb das
3-D-Kino eine randläufige Erscheinung, in
den meisten Zeiten taugte es allenfalls als
Jahrmarktattraktion.
Dennoch glauben Sie an den Trend 3-D?
Zumindest glauben Fernsehen und Kino
gegenwärtig daran –was für sich genommen
schon einmal eine starke Aussage ist. Es gibt
die Filme, die Filmprojektorenund jetzt auch
marktfähige 3-D-Fernsehgeräte. Momentan
scheint es tatsächlich so zu sein, dass 3-D
das nächste große Ding ist. Ein Phänomen,
das wirklich angekommen ist und nicht bloß
heraufbeschworen wird.
Aber hat denn der Rezipient, also der Fern-
sehzuschauer oder der Kinogänger, tatsäch-
lich auf 3-D gewartet?
Lassen Sie mich so herum antworten:
Hätte man vor James Camerons „Avatar“
diese Frage gestellt, hätten vermutlich die
wenigsten gesagt, sie würden ganz unbe-
dingt neue 3-D-Filme herbeisehnen. Ande-
rerseits wurde aber „Avatar“ nicht nur zum
erfolgreichsten Film der Kinogeschichte,
sondernkurzeZeit später auchzur schnellst-
verkauften DVD.
Der Zuschauer spielt das Spiel demnach
lustvoll mit?
Na ja, das Bedürfnis nach 3-D-Fernsehen
ist auf Konsumentenseite sicher nicht zwin-
gend sofort da …
.... dennoch bleibt dem Fernsehen bei einem
Erfolg wie dem von „Avatar“ vermutlich
nichts anderes übrig, als nun eigene Angebote
in 3-D zu produzieren.
Unternehmen, ja ganze Geschäftsfelder
orientieren sich immer daran, was gerade
die Nachbarbranchen machen. Beim Fern-
sehen ist diese Nachbarbranche eben das
Kino. Und das Kino zumindest hat mit dem
Konzept 3-D Erfolg.
Erfolgserlebnisse kann das Fernsehen eben-
falls gut gebrauchen.
Genau. Denndas Fernsehenbefindet sich
mehr noch als das Kino mitten in einem
­Paradigmenwechsel. Durch das Internet ist
esbeispielsweiseplötzlichmöglichgeworden,
Medieninhalte außerhalb von starren Pro-
grammstrukturen zu gucken. Die Logik des
Fernsehens erschüttert das imMark.
Sie sprechen etwa vomYouTube-Clip.
Leute gucken plötzlich diese ganzen In-
ternetfilmchen – und zwar trotz der ver­
pixelten, erschreckend schlechten Bildqua-
lität. Aus dieser Perspektive betrachtet ist es
konsequent, dass das angegraute Medium
TV jetztmit einer Qualitätsoffensive reagiert.
Die technologische Entwicklung 3-D ist ein
natürlicher Gegenschritt zu den eben ge-
nannten Verflüchtigungstendenzen. Noch
einmal darf das Medium Fernsehen zeigen,
was es kann.
Bleibt die Frage:Was kostet der Spaß?
Genau. Abgesehen von der ganzenHard-
ware, also den 3-D-Fernsehgeräten und so
weiter, ist alleine die Produktion der Inhalte
ein kostspieliges Unterfangen. Es zeigt sich
ja bereits, dass 3-D deshalb vor allem im
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