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P
etra Reetz sitzt im Führerhaus einer
Straßenbahn der Berliner Verkehrsbe-
triebe (BVG): Sie fährt auf der Schön-
hauser Allee, auf der wie immer viel Verkehr
ist. Plötzlich nimmt ihr ein Auto dieVorfahrt
und schneidet ihr denWeg ab. Nur mit einer
Vollbremsung kann sie einen Unfall verhin-
dern. Reetz steht unter Stress. Auf der weite-
ren Fahrt muss sie dennoch hoch konzent-
riert bleiben, darf das Leben ihrer Fahrgäste
und das der anderen Verkehrsteilnehmer
nicht gefährden.
AmZiel angekommen, weiß sie:„Straßen-
bahnfahrer ist kein Job fürmich.“ Petra Reetz
ist eine Mitarbeiterin der Verkehrsbetriebe,
die gerade eine Testrunde im Straßenbahn-
simulator des Unternehmens absolviert hat.
Alle 3000 Fahrer der BVG haben genau wie
Reetz in diesem mit Technik vollgestopften
Kasten gesessen, ummöglichst realitätsnah
das Fahren einer Straßenbahn im dichten
BerlinerVerkehr zu trainieren. Erst wenn die
Stunden am modernen Computer erfolg-
reich absolviert wurden, kommt eine Schie-
nenfahrt in freier Wildbahn überhaupt in
Betracht. Zuvor müssen sie sich jedoch si-
cher fühlen und auch der Lehrer muss seine
Zustimmung geben. Erst dann kommt es
zum Ernstfall: Die angehenden Straßen-
bahnfahrermachen ihre ersteTour durchdas
echte Berlin.
Realitätsnahe Ausbildung am Computer
Wie bei der BVGwerden sogenannte 3-D-
Simulatoren in der Ausbildung zu vielen
Berufen eingesetzt: Polizisten, Ärzte, Last-
wagenfahrer, Astronauten und Piloten ler-
nen mit speziellen Computerprogrammen
dieWirklichkeit ihres Jobs kennen. Experten
erklären den Sinn solcher Programme: Für
das jeweilige Unternehmen konzipierte
Softwares sollen die Schüler realitätsnah
ausbilden, ihnen Routine ebenso beibrin-
gen wie die richtige Reaktion in Extrem­
situationen. Die Straßenbahnfahrer in Ber-
lin sitzen zu Übungszwecken in einem ori-
ginal nachgebauten Führerhaus und auf
einem großen Bildschirm läuft wie bei ei-
nemComputerspiel die nachgestellteWirk-
lichkeit. „Man kann sich diesen Simulator
als großen Kasten vorstellen, der im Inneren
zu 100 Prozent identisch mit einer her-
kömmlichen Berliner Straßenbahn ist“, sagt
Reetz. Die Scheiben sind Bildschirme, auf
denen eine Fahrsituation dargestellt wird,
wie sie jedenTag vorkommt. „Du steigst ein
und bist noch ganz locker, es sieht ja alles
nur aus wie ein hochmodernes Computer-
spiel. Aber nach ein paar Minuten vergisst
man, dass man in einer Simulation ist, und
versucht einfach, irgendwie durch den Ber-
linerVerkehr zu kommen“, beschreibt Reetz
ihre Erfahrung.
Genau das ist der Sinn von Simulatoren,
bestätigt Verkehrspsychologe Christian
Maag. Bei den Trainingseinheiten der Deut-
schen Bahn hätten Teilnehmer gar die ent-
gegenkommenden Züge gegrüßt, berichtet
der Wissenschaftler von der Universität
Würzburg. Maag ist sich sicher, dass die Lok-
führer schon nach kurzer Zeit sehr tief in die
Simulation eintauchenund denUnterschied
zur Realität nicht mehr wahrnehmen. „Des-
halb können auch nicht alle Extremsituatio-
nen trainiert werden“, sagt er. Unfälle mit
Personenschäden könnten, auch wenn sie
nur nachgestellt seien, ein Trauma bei den
Fahrern auslösen und ihnen das nötige
Selbstvertrauen für den Beruf nehmen.
„Der Erfolg von Simulatoren ist schwer zu
messen“, betont Maag. Es sei schwierig zu
sagen, wie viele reale Fahrstunden eingespart
werden könnten. Ein Indiz für die Effizienz
von Schulungen in 3-D-Simulatoren sieht
Maag allerdings in den Ergebnissen eines
Projekts der DeutschenBahn. Bei diesemha-
ben Lokführer imSimulator gelernt, energie-
sparend zu fahren. „Das läuft ähnlich ab wie
bei einemAuto“, beschreibtMaag. Schnelles
Einfahren in die Bahnhöfe und hartes Brem-
sen führen zu Energieverlust. „Die Teilneh-
mer des Programms haben beim Zugfahren
weit mehr Energie eingespart als die übrigen
Lockführer“, bilanziert der Experte. All dies
seien jedochNebeneffekte des Einsatzes von
Simulatoren. „Die Simulatoren sind ein ef-
fektives Mittel, um das Risiko von Katastro-
phen zu verringern“, sagt Maag. Darum
müssten alle Lokführer jährlich zu einer
Überwachungsfahrt in den Simulator.
Fachleute unterscheiden zwei Arten von
Simulatoren: Ein Teil werde in der techni-
schen Entwicklung beispielsweise bei Auto-
bauern eingesetzt. Sie dienenunter anderem
demTest von Brems- oder Navigationssyste-
men. Computergestützt werden sie auf Pra-
xistauglichkeit und Verkehrssicherheit ge-
prüft. Die anderen kommenbei der Aus- und
Weiterbildung zumEinsatz.Verkehrspsycho-
logeMaag weiß, dass die Anwendungsfelder
sehr vielfältig sind. ImbayerischenSulzbach-
Rosenberg steht beispielsweise einSimulator
für Blaulicht­fahrtenmit demPolizeiauto. Da
es bei diesenEinsätzen immer wieder zuUn-
fällen kommt, wird die Extremsituation ge-
zielt trainiert. „Gemeinsam mit der Polizei
hat die Universität Würzburg für ein Pilot-
projekt einen Simulator für Blaulichtfahrten
gebaut“, berichtetMaag. In diesemwird bei-
spielsweise das Fahren über eine rote Ampel
geprobt. „Dabei ist nicht nur das Verhalten
des Fahrers, sondern auch das des Beifahrers
sehr wichtig“, erläutert Maag. Auch der So-
zius müsse eine sehr hohe Aufmerksamkeit
auf den Verkehr haben.
Realistische Bedingungen im Cockpit
Bestmögliche Bedingungen für das Trai-
ning von Extremsituationen zu schaffen, ist
auch die Aufgabe von Stefan Nowack. Er ist
verantwortlich für die Simulationsflüge beim
Lufthansa Flight Training (LFT). Der Flug-
konzern arbeitet seit Mitte der 1960er-Jahre
mit Flugsimulatoren. „Zu Beginn waren es
noch recht simpleKonstruktionen, bei denen
die Piloten noch keine Sicht nach außen hat-
ten und nur nach den Instrumenten fliegen
muss­ten“, sagt Nowack. Später sahen die Pi-
lotenbei demBlick aus demCockpit einfache
Modelllandschaften. In den modernen Si-
mulatoren habe man nun nahezu realisti-
sche Bedingungen geschaffen. Ein entschei-
dender Faktor hierfür sei auch das so ge-
nannte„Motion-System“, erläutert Nowack.
Das Cockpit könne sich nun in sechs ver-
schiedene Richtungen bewegen und somit
Starts, Landungen, Turbulenzen und auch
denDruckabfall in der Kabine darstellen.„So
können Piloten Situationen trainieren, die
ihnen in ihrem Arbeitsalltag nicht so häufig
begegnen“, sagt Nowack.Währendder Simu-
lation werde auch das Zusammenspiel zwi-
schen Pilot und Co-Piloten mit der Kamera
aufgezeichnet und die Teamleistung an-
schließend analysiert. Nowack sieht aber
auch ökonomischeVorteile: „Eine Flugstun-
de inder Luft kostet etwa so viel wie 100 Stun-
den im Simulator.“
Was mit Simulatoren in der hoch techni-
sierten Raum- und Luftfahrt begonnen hat,
ist mittlerweile zu einem Trend in der Aus-
undWeiterbildung geworden. Auchdie ersten
ganz gewöhnlichen Fahrschulen setzen seit
einiger Zeit Simulatoren ein, um ihren Schü-
lern erste Grundlagen von Kuppeln und
Schalten beizubringen, berichtet der Ver-
kehrspsychologe Maag. 3-D-Simulationen
könnten schon bald ganz selbstverständlich
zu unserem Alltag gehören.
B e r l i n e r Z e i t u n g · N u m m e r 1 9 7 · 2 5 . A u g u s t 2 0 1 0
Die Zukunf t i st 3-D
D 1 0
Auf dem Boden
der Illusion
Bewegungsabläufe trainieren, Gefahrensituationen
erkennen: 3-D-Technik in Fahr- und Flugsimulatoren
hilft Piloten wie Berufsfahrern, sich auf den
Alltag vorzubereiten
von
S
imon
F
i s cher
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