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B e r l i n e r Z e i t u n g · N u m m e r 1 9 7 · 2 5 . A u g u s t 2 0 1 0
Die Zukunf t i st 3-D
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ie ersten Schritte auf demMond lagen
bereits ein Jahr zurück, als der US-
Astronaut Pete Conrad die amerika-
nische Flagge auf dem Mond hisste – und
dennochbetrat erNeuland. Dennvondiesem
Moment stammendie ersten räumlichenBil-
der außerhalb der schützenden Atmosphäre
der Erde. Die Zuhausegebliebenen benötig-
ten zum Betrachten der 3-D-Bilder später
lediglich eine Brille mit einem roten und ei-
nem grünen Glas, um ihre Augen über die
Mondoberfläche schweifen zu lassen, als wä-
ren sie dabei gewesen. Der ferne Erdtrabant
schien plötzlich ganz nah.
Seitdem hat sich vieles geän-
dert, doch3-D-Technik ist immer
noch gefragt, wenn es umdie Er-
kundung des Universums geht:
„Geradebei der Planetenvermes-
sungwerdenklassische Stereofo-
tografien inzwischen längst
durchradarstrahlenbasierteKon-
zepte ersetzt“, sagt RolfWerning­
haus vom Deutschen Zentrum
für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Bei diesenVerfahren sendenSatellitenRadar-
signale auf die Planetenoberfläche, derenRe-
flexionenwieder aufgefangenund schließlich
von Hochleistungscomputern in Bilder ver-
wandeltwerden.„DieEntwicklunghat gerade
einen neuen Höhepunkt erreicht“, erklärt
Werninghaus. Vor acht Wochen startete im
Auftrag desDLRder Erdbeobachtungssatellit
TanDEM-X vom Startplatz Baikonur in Ka-
sachstan. Gemeinsam mit seinem Zwilling
TerraSAR-X soll der Satellit ein dreidimensio-
nales Höhenmodell der gesamten Erdober-
fläche erstellen.
Das Satellitenpärchen verfügt über je zwei
Antennen, die es ihnen ermöglichen, räum-
lich zu sehen.„Die beidenAntennennehmen
jeweils inAbständen von zehnMetern Signa-
le auf. Aus denEntfernungsunterschiedender
Signale lässt sich auf dieHöhenunterschiede
auf der Erde schließen“. ProTag sammeln sie
ein halbes Terabyte Material. Im Verlauf der
Mission werden sich, so schätzt man bei der
DLR, circa 600Terabyte ansammeln, das ent-
spricht in etwa 264 Video-Stunden in DVD-
Qualität oder 150MillionenMP3-Dateien. Im
Ergebniswerde einglobales, digitalesHöhen-
modell der Erde mit einer vertikalen Auflö-
sung von zwei Metern entstehen. „So genau
wurde die Erde noch nie vermessen“, stellt
Werninghaus mit Freude fest.
TanDEM-X und Terra-SAR-X benötigen
für die Kartierung der 150 Millionen Quad-
ratkilometer Erdoberfläche gerade einmal
drei Jahre:„Von denVermessungen kann die
gesamte Menschheit profitieren“, sagt Rolf
Werninghaus. Dank der neuen Daten ließen
sich zum Beispiel bei Flutkata-
strophen genaue Abflusskarten
erstellen und klimatisch be-
denkliche Urwaldabholzungen
besser erkennen. Bei der Auf-
stellung von Funkmasten oder
im Flugverkehr könnten die
neuen Erkenntnisse gar zu ver-
besserten Sicherheitsstandards
führen.
Während das DLR die Erde
mithilfe moderner 3-D-Technik
vermisst und sich davon Aufschluss über die
Zukunft verspricht, schautman bei der Euro-
peanOrganisation for Astronomical Research
in the SouthernHemisphere (ESO) in dieVer-
gangenheit des Kosmos. Schauplatz ist das
Plateau Cerro Paranal in der Atacama-Wüste
in Nordchile. Hier stehen die vier Teleskope
Antu, Kueyen, Melipal und Yepun. Die in der
Indianersprache Mapuche nach den Gestir-
nen benannten 20 Meter hohen, 450 Tonnen
schwerenKolosse bilden zusammendasVery
Large Telescope (VLT), das größte Teleskop
derWelt – es sieht viertausendMilliardenmal
so weit wie das menschliche Auge. Claes
FranssonvonderUniversität Stockholm, Bru-
noLeibundgut vonder ESOund einhundert-
köpfiges chilenischesWissenschaftsteamver-
folgen amVLT seit einemguten Jahrzehnt die
Überreste der Supernova SN 1987A. Bereits
imFebruar 1987wurde der Kollaps des Sterns
Sanduleak-69° in rund 160000 Lichtjahren
Entfernungauf derErdewahrgenommen.„SN
1987Awar die erste Supernova inbeinahe 400
Jahren, die mit dem bloßen Auge beobachtet
werden konnte. Noch immer ist sie amHim-
mel als ausgedehntes Objekt zu erkennen“,
erklärt Leibundgut. Allerdings sei dieSternen-
explosion zu weit von der Erde entfernt, um
sie räumlich aufzulösen. „Ein Trick steht uns
aber zurVerfügung: durch Zusammenschlie-
ßenvonmehrerenTeleskopenzur simultanen
Beobachtung desselben Objektes erreichen
wir sehr große zweidimensionale Auflösun-
gen.“DieTiefe als dritteDimension ließe sich
anschließend aus der Fluggeschwindigkeit
des Sternenmaterials errechnen.
Mit demVery LargeTelescope der Eso lässt
sich so erstmals eine dreidimensionale An-
sicht derVerteilung derMaterie im innersten
turbulenten Kern einer Supernova rekonst-
ruieren. „Die wissenschaftlichen Daten sind
in eine anschauliche künstlerische Darstel-
lung umgesetzt worden, die ziemlich genau
unserer Interpretation der Daten entspricht
und Laien einen gewissen Eindruck vermit-
telt“. Denn tatsächlich ist die Forschung im
Chaos der Supernova 1987A
nicht nur für Astronomen re-
levant. „Supernovae sind
entscheidend für die Ent-
stehung von Leben, wie
wir es kennen.“ Ihre ge-
naueBeobachtung lie-
fere neue Erkenntnis-
se über die Entste-
hung der Erde.
Die Kosten für die
Technik moderner drei-
dimensionaler Weltraumerfas-
sung sind immens. Im Falle der
Supernova1987Amagmansiebei
der ESO, die von ihren 14 Mit-
gliedsländern aus öffentlichen
Mitteln finanziert wird, gar nicht
beziffern.Verglichenmit den Bud-
gets moderner 3-D-Science-Fiction-Filme
wie Avatar, der 237 Millionen US-Dollar ge-
kostet hat, erscheint die rund 160 Millionen
Euro schwereTanDEM-XMission jedoch fast
schon wieder als ein günstiger Vorstoß in die
Tiefen der dritten Dimension.
Die Vermessung der Welt
Die Astronomie leistet auf dem Gebiet der dreidimensionalen Raumerfassung
Pionierarbeit. Die Ergebnisse sind bereits sichtbar
von
B
ernd
L
othringer
Nasa
Spieltrieb im All:
Als das Interesse an den Mondmissionen nachließ, ersann die Nasa neue
Strategien, um die Zuschauergunst zurückzugewinnen. Neben Mondgolf gehörten auch
3-D-Aufnahmen zu dieser Taktik. Heute setzen Astronomen die Technik jedoch zumeist seriös ein.
Dank der
neuen Daten
lassen sich
bei Flutkatas-
trophen genaue
Abflusskarten
erstellen
1,2,3 5,6,7,8,9,10,11,12,13,14,...17