. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B e r l i n e r Z e i t u n g · N u m m e r 1 9 7 · 2 5 . A u g u s t 2 0 1 0
Die Zukunf t i st 3-D
D 1 5
D
ie Sindelfinger bringen demAuto das
räumliche Sehen bei. Undwennman
der Demonstration mit mehreren
Versuchsfahrzeugen vor einigenTagenGlau-
ben schenken darf, steht das neueMercedes-
System kurz vor der Serienreife. Wie der
Mensch besitzten die Prototypen ein„linkes
und ein rechtes Auge“, nämlich zwei Kame-
ras, welche die Umgebung aus unterschied-
lichenPerspektivenbeobachten. DieserWin-
kelunterschied erlaube eine präzise Entfer-
nungsmessung nicht nur zu einzelnen
Punkten, sondern imgesamten Bild, wie Ralf
GuidoHerrtwich, Leiter Fahrerassistenz- und
Fahrwerksysteme im Konzern, erläutert.
Passanten am Gang erkennen
Zehn bis 15 Mal pro Sekunde würden die
Videobilder auf Bewegungsmuster und For-
men von Fußgängern analysiert. 300 000
Bildpunkte würden unablässig aufVerände-
rungen überprüft und lieferten so vollstän-
dige 3-D-Informationenüber dasGeschehen
in Fahrtrichtung. Die „Stereokamera“ soll
eine Distanz von bis 25Meter vor demFahr-
zeug auf einer Breite von etwa acht Metern
im Blick behalten. Um die Echtzeitanalyse
zu gewährleisten, hat das System aus mehr
als einer Million Beispielbildern die Gestalt
eines Fußgängers erlernt und kann nun ent-
sprechendeBewegungsmuster erkennen, die
zu Kollisionen führen können.
Die aufwendigeTechnik dient indes nicht
allein der Imagepflege: Das steigende Ver-
kehrsaufkommen sorgt dafür, dass sich im-
mer mehr Unfälle mit Fußgängern ereigne-
ten. In Europa sind bereits 14 Prozent aller
tödlichen Verkehrsopfer Fußgänger. In den
USA beträgt derWert elf Prozent und in Chi-
na soll sogar jeder vierte Verkehrstote ein
Fußgänger sein. Dem zu begegnen haben
etliche europäische Länder, allen voran
Schweden, die „Vision Zero“ – das Ziel, die
Zahl der Verkehrstoten auf null zu senken –
ausgegeben.
Aus der Sicht der Hersteller scheint ein
elektronischer Beifahrer, der selbstständig
alle drei Raumdimensionen überwacht und
bei Gefahr eingreift, derzeit die angemesse-
ne Lösung für diese Aufgabe zu sein. Doch
auch beim Fahrkomfort gewinnt die Erobe-
rung der dritten Dimension zunehmend an
Bedeutung: Hersteller wie Nissan, BMW,
Audi oder Volkswagen unterstützen bei-
spielsweise das Einparken mit einem gene-
rierten Rundumblick. Pionier auf dem Ge-
biet war Nissan, die 2007 den „Around View
Monitor“ einführten. Die Bilder von vier Ka-
meras in Kühlergrill, Heckdachkante und
beiden Seitenspiegelnwerden in einemDis-
playbild zusammengesetzt. Man sieht sein
Autonunmehr aus derVogelperspektive. Das
3-D-Bild auf dem zweidimensionalen Dis-
play vermittelt dem Fahrer sofort die Ab-
standsveränderungen nach allen Seiten. Es
hilft ihm, beim Einparken den besten Lenk-
winkel für das Manöver zu finden.
Beim VW heißt das System „Area View“
und wurde mit demüberarbeitetenTouareg
im Frühjahr vorgestellt. Neben dem Rund-
umblick erleichtern die Kameras beispiels-
weise auch das Ankoppeln eines Anhängers
ungemein. Im geteilten Bildschirm sind Vo-
gel- und Heckperspektive gleichzeitig zu se-
hen. Im Modus „Anhänger-View“ wird die
Bewegungsrichtung des Anhängers in Ab-
hängigkeit vomLenkeinschlag darstellt. Eine
dynamische Hilfslinie ermöglicht ohne viel
Kurbelei eine punktgenaue Annäherung bei-
der Kupplungsteile. Hilfreich ist das System
auch in schwierigenGeländeabschnittenwie
dem Einfädeln auf einer Balkenbrücke oder
beim Passieren eng bebauter Ausfahrten.
Hier erlaubt es demFahrer quasi einen„Blick
umdie Ecke“. Er erkennt querende Fußgän-
ger oder Radfahrer, die sich noch außerhalb
des eigenen Blickfeldes befinden.
Aber auch unmittelbar imCockpit könn-
te die 3-D-Technik künftig größere Bedeu-
tung erlangen. Davon ist Ulrich Leiner vom
Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut inBerlin
überzeugt. Gemeinsam mit einem großen
Autobauer haben er und seine Kollegen eine
neuartige 3-D-Anzeige entwickelt. Sie ist in
der Lage, etwa Landschaften und Gebäude
an Navigationsrouten dreidimensional auf
einem Display darzustellen. „Unsere Idee
war, die dritte Dimension dafür zu nutzen,
um die Bedeutung von relevanten Informa-
tionen zu gewichten“, erklärt Leiner. So tritt
imDisplay des fertigen Prototyps eine Glät-
tewarnung umso deutlicher in den Vorder-
grund, je näher das Auto der tatsächlichen
Gefahrenstelle kommt. Gleichzeitig treten
andere Informationen wie die Drehzahlan-
zeige dezent in den Hintergrund.
Gestensteuerung im Cockpit
Künftig könnte es Navigationsgeräten so-
gar gelingen, wichtige Hinweise wie Abbie-
gepfeile per Stereoprojektion auf der Wind-
schutzscheibe an genau jene Stelle zu plat-
zieren, wo das reale Manöver schließlich
erfolgen wird, damit sich der Fahrer recht-
zeitig darauf einstellen kann.„Er erlebt dann
keinen visuellen Konflikt mehr zwischen der
Distanz der sichtbaren Warnung und der
zumtatsächlichenOrt desGeschehens“, sagt
Ulrich Leiner.
Tatsächlich stehen viele Anwendungs-
möglichkeiten noch vor der Entdeckung.
Dazu könnte beispielsweise auch das berüh-
rungslose Steuern vonBedienelementenwie
etwa der Audioanlage imFahrzeug gehören.
EntsprechendeProjekte stehenamHeinrich-
Hertz-Institut längst auf der Tagesordnung.
Unter dem Arbeitstitel iPoint 3D entwickelt
man etwa eine geeignete Software, dieHand-
gesten in Computerbefehle übersetzt. Ob
sich derart futuristische Konzepte durchset-
zen, ist ungewiss. Eins steht jedoch bereits
heute fest: Weil neue Fahrzeugideen lange
vor demersten Prototyp imvirtuellen Labor
von allen Seiten auf Herz undNieren geprüft
werden, ist dasAutoohne 3-D-Technik schon
jetzt kaummehr denkbar.
Der Beifahrer mit dem dritten Auge
3-D-Anwendungen wirken im Auto bislang als dezente Fahrerassistenten – ihr großer Durchbruch im Cockpit steht jedoch kurz bevor
von
M
artin
W
oldt
Hersteller
Head-Up-Display:
Der Fahrer kann Informationen wie Geschwindigkeit, Route und Bremswege künftig in 3-D auf der Frontscheibe ablesen.
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10 12,13,14,15,16,17