Berlin
Bibliotheken
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tip Campus
April 2013
Willkommen in der
Gutenberg-Galaxis!
Von wegen, die Digitalisierung macht Bibliotheken überflüssig – sie sind
beliebter denn je. Und zudem aufregende Orte, wie das Grimm-Zentrum
und der neu gestaltete Stabi-Lesesaal Unter den Linden beweisen
Kaum eine Bibliothek bietet so viele Arbeits-
plätze wie das Grimm-Zentrum der Humboldt-
Universität in Mitte. Und trotzdem ist an die-
sem Vormittag in den Semesterferien keiner
der 1 036 Schreibtische mehr frei. Um einen
der hart umkämpften Plätze zu ergattern, ist
Literaturwissenschafts-Studentin Claire jeden
Tag spätestens um 9 Uhr in der Bibliothek. Da
sie in Frankfurt (Oder) studiert, muss sie au-
ßerdem der Homezone fernbleiben, einem
Arbeitsbereich, der nur für Studierende der
Humboldt-Universität reserviert ist. Das Zwei-
klassen-System stört Claire jedoch nicht. Sie
sieht darin sogar etwas Gutes: „So steh ich
wenigstens früh auf und schreib auch wirklich
den ganzen Tag an meinem Essay.“ Wenn sie
abends das Grimm-Zentrum verlässt, habe sie
dann das Gefühl, einen richtigen Arbeitstag
gehabt zu haben. Wie im Berufsleben. „Zu
Hause würde ich das nie schaffen. Da lenkt
mich viel zu viel ab.“
„Bibliothekskonzentration“ nennt Dr. phil.
Klaus Ulrich Werner, Leiter der Philologischen
Bibliothek der Freien Universität Berlin, die
spezifische Lesesaal-Atmosphäre, die nicht
nur auf Studierende, sondern auf Bibliotheks-
besucher jeglicher Art eine stark motivieren-
de und selbstdisziplinierende Wirkung hat.
Die herrschende Ruhe, die vielen fleißigen
Nebensitzer und vor allem das Umgebensein
von unzähligen Büchern spielen hierbei eine
wichtige Rolle. „Die ‚Aura‘ der Bibliothek als
Ort der kulturellen Bildung ist nicht zu unter-
schätzen“, meint Dr. Werner. Meist von re-
nommierten Architekten entworfen, trägt
zweifelsfrei auch die reizvolle Ästhetik vieler
Bibliotheksgebäude zu dieser erhabenen, pi-
etätvollen Stimmung bei (siehe Kasten S. 23).
Auch wenn Bibliotheken nie nur reine
Büchersammlungen oder Ausleihstationen
waren, fungieren sie heute noch stärker als
früher als Lernorte. Um den unterschiedli-
chen Arbeitsweisen ihrer Nutzer so gut es
geht entgegenzukommen, haben die Biblio-
theken verschiedene Zonen eingerichtet. So
gibt es neben dem allgemeinen Lesesaal
stets auch Einzel- und Gruppenkabinen,
Computerräume sowie laptopfreie Bereiche,
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